Ein toller Bericht von Ingo Delius von der diesjährigen Euro HC16 in Spanien. Macht Lust auf Segeln und Meer….
Vor der Küste Kataloniens fanden in der zweiten Septemberhälfte die Europameisterschaft der Hobie 16 statt. Nur 39 Teams hatten sich eingefunden, was einerseits schade, andererseits aber auch irgendwie schön war, weil die Europameisterschaft nur wenig an Internationalität – vermisst wurden Teilnehmer nur aus Dänemark und Polen – verlor, dafür aber sehr familiär und noch enger im internationalen Kontakt und Austausch als sonst üblich war. Und jetzt all denjenigen, die nicht zur Euro kamen, zu berichten, fällt etwas schwer, ohne dass es den Anschein erweckt, als wolle ich mich in Lobhudelei ergehen. Man mag es glauben oder nicht: die Veranstaltung war eine der besten, vielleicht die beste Europameisterschaft, an der ich die letzten 41 Jahre teilnahm.
Ich habe noch nie eine so perfekte, aufmerksame und superfreundliche Organisation an Land und auf dem Wasser erfahren. Das Camping- und Bungalow-Ressort war ein Traum: Platz ohne Ende, super sauber und gepflegt, mit Supermarkt, Bäcker und Shops eine kleine Stadt für sich mit gleichwohl kurzen Wegen, und dann auch noch direkt am Strand in einem Gebiet, das inzwischen als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist. Jeden Morgen Steuermannsbesprechung mit Wetterbericht etc. um 10 Uhr – und zwar um 10.00 Uhr und nicht um 10.05 Uhr oder sonst wann. Die Kommunikation zwischen Orga und Wettfahrtleitung einerseits und Teilnehmern (m/w/d) andererseits erfolgte über WhatsApp; einzig die Jury arbeitete noch mit Papier, von dem sie aber nicht viel brauchte, weil es nur zu wenigen Protestverhandlungen kam. Und dann die Wettfahrtleitung: die Startlinie passte immer, und der Kurs war perfekt darauf ausgelegt, dass eine Wettfahrt rund 45 Minuten dauert: hatten die Teams die erste von zwei Up and Downs in weniger als 20 Minuten geschafft, wurde die Luvtonne rasch einige hundert Meter höher gelegt; und dauerte die erste Runde wegen abnehmenden Windes länger als 25 Minuten, wurde die Luvtonne kurzen Weges nach unten verholt. Auch Winddreher wurden sofort aufgegriffen. Letztlich gab es meiner Erinnerung nach nur 2 Wettfahrten, in denen die Wettfahrtleitung den Kurs liegen ließ. Mich beeindruckte das sehr, denn solche Flexibilität kannte ich noch nicht. Im Nachhinein etwas grinsend habe ich aber auch vor Augen, wie in einer Wettfahrt am letzten Tag, als der Wind immer mehr zulegte, die Luvtonne auch wegen eines leichten Rechtsdrehers so weit nach schräg rechts oben verlegt wurde, dass die Gruppe der führenden Boote doch recht lange brauchte, bis sie die rote Ersatzbahnmarke gefunden hatte.
Die Segelbedingungen waren – aus meiner Sicht – schwierig, aber eben deshalb auch europameisterschaftsgemäß (einfach kann jeder). Die in den Sommermonaten übliche Thermik hatte sich pünktlich zu Beginn der Open verabschiedet. Nachdem die 14er und Master bei noch recht stabiler Thermik (13 – 16 kn) hatten segeln können, musste die Goldflotte mit dem Gradientwind auskommen, und der war recht instabil mit Tendenz nach rechts, dann aber mit zwischenzeitlichen Rücksetzern nach links und über den Tag meistens abnehmend von 12 kn auf 6 kn. Allein das stellte die Teams vor die große Herausforderung, die richtige Seite zu finden. Die größere Herausforderung für mich war allerdings die Welle: bedingt dadurch, dass außerhalb der Bucht in ca. 5 km Entfernung ein recht starker Nordwest-Wind um die 30 kn wehte, drehte in die Bucht eine Welle hinein, die für den wenigen Wind sehr hoch war. Aber das war dann nicht die einzige Welle: zusätzlich lief in die Bucht eine Dünungswelle hinein, und auch sie mit solcher Höhe, dass wir am dritten Tag keine Wettfahrten hatten, weil zu befürchten war, dass zu viele Teams ihre Boote bei Wind um nur 7 kn nicht durch die Brandungswelle bekommen. Durch diese Geschwappe bei weniger als 9 kn Wind zu segeln, war extrem anstrengend – jedenfalls für mich und sicherlich für alle anderen Binnensee- oder Ostseesegler (die Welle auf Stoller Grund ist dagegen Kinderkram). Caterina Degli Uberti, die mit Stefan Griesmeyer schlussendlich Europameister (m/w/d) wurde, berichtete uns dazu nur trocken, das sei wie bei ihnen in Italien: Welle ohne Wind. Nun gut, die beiden konnten auch Welle mit Wind, aber das konnten auch andere Teams, allen voran die Franzosen Arnaud Thieme und Ludovic Siguret, die am letzten Tag, als endlich Wind zwischen 14 kn und 18 kn mit starken Böen vorherrschte und 5 Wettfahrten absolviert werden konnten, die wenigsten Punkte einfuhren. Die Franzosen schoben sich dadurch am Schlusstag noch auf den 2. Platz vor. Wir freuten uns für sie, denn die beiden Segler sind ganz zurückhaltende und überaus freundliche Segler; wir mussten aber auch ein wenig Frust wegdrücken, denn bei den Master-Europameisterschaften waren wir ihnen mit jeweils eigenen Segeln (wir 2020er, die Franzosen 2021er) noch weggefahren, letztlich aber punktgleich mit ihnen nur Vize-Europameister geworden, nachdem wir sie nach unschönen Behinderungen am Start durch einen anderen Segler, der dazu gar einen BFD in Kauf nahm und auch kassierte, in der letzten Wettfahrt hatten fahren lassen müssen. Bei den Open hatten wir ein Großsegel mit sehr viel Vorliekskurve und damit mit einem tieferen, „bauchigeren“ Segelschnitt erwischt. Damit konnten wir an der Kreuz die Höhe insbesondere nach dem Start nicht mithalten, fehlende Höhe aber nicht mit mehr Geschwindigkeit kompensieren. Die Kompensation hatten wir dann aber auf dem Vorwindkursen: wir waren ultraschnell. Unter dem Strich aber half uns das nicht: wir kamen gerade am letzten Tag häufig zwischen Platz 12 und 15 an der Luvtonne an und mussten uns dann Downwind durchs Feld wühlen. So hatten wir im Gate und letztlich im Ziel wieder Anschluss an die Spitze, aber leider nur Anschluss mit Plätzen zwischen 3 und 7 (unserem 2. Streicher). Mit unserem 4. Platz, den wir im Gesamtklassement belegten, waren und sind wir dennoch sehr zufrieden, denn wir mussten uns auch eingestehen, dass wir einen riesigen Trainingsrückstand hatten. Während die Franzosen und Italiener, denen sich häufig das österreichische Team Kitzmüller angeschlossen hatte, seit Frühjahr trotz der rigiden Beschränkungen, unter denen die Bevölkerung in Italien und Frankreich viel mehr als in Deutschland litten, fast vollständig ihr Trainings- und Regattaprogramm hatten abspulen können, hatten wir deutschen Teilnehmer so gut wie nichts gesegelt. Allein Stefan Griesmeyer, der bei der Siegerehrung damit kokettierte, seit knapp 20 Jahren nicht mehr Hobie 16 gesegelt zu haben (was für sich schon Unsinn war, weil er bei der EURO 2009 Vize-Europameister geworden war), zählte uns mehr Wettfahrten auf, an denen er in diesem Jahr bereits teilgenommen hatte, als wir die letzten 2 Jahren insgesamt gefahren waren. Und so blicken wir ein wenig schaudernd nach vorn: an gleicher Stelle soll im Mai 2022 die 23. Weltmeisterschaft der Hobie 16 stattfinden. Der Zeitpunkt wurde vor Ort recht kontrovers diskutiert, weil insbesondere viele Teilnehmer die Veranstaltung lieber im September gesehen hätten, nicht nur wegen der Möglichkeiten, vorher ordentlich zu trainieren, sondern auch wegen der Wetterbedingungen: im Mai sind Luft und insbesondere Wasser (!) viel kälter als im September, und zum Hobie Way of life gehört doch auch ein wenig Urlaubsstimmung, oder?
Wir wünschen einen schönen Saisonausklang und freuen uns auf ein Wiedersehen auf den Gewässern dieser Welt im neuen Jahr!
Ingo und Sabine